
Wie herrlich unterschiedlich Menschen doch sind. Unsere ganze Lebensweise. Haus oder Wohnung, Aussteiger mit Hütte im Wald. Was wir beim Essen mögen und was nicht, welche Autos wir fahren, wohin wir in Urlaub fahren. Alles ziemlich bunt.
Ebenso unterschiedlich sind wir auch in unserer, ich nenne es mal vorsichtig, Leidensfähigkeit. Wo der Eine schonmal das Sondereinsatzkommando ruft, lacht der Andere noch herzhaft.
Aber was tut man, wenn im Leben, im Alltag, im Urlaub mal etwas eventuell nicht ganz so läuft, wie wir uns das vorgestellt haben? Gerade den Deutschen sagt man nach, sie wären Weltmeister im "sich beschweren". Wir sind relativ schwer zufrieden zu stellen, kritisch und entdecken selbst Kleinigkeiten.
Amerikaner sind dagegen im Vergleich deutlich gnädiger als der knallharte Germane und finden vieles eigentlich total toll, wo sich der Mitteleuropäer mal kurz an den Kopf fasst. Aber was hat es jetzt mit dem Titel auf sich. So auf Anhieb würde er fast vermuten lassen, meine Frau sei ein ziemlich Beschwerde-Freundliches Wesen, welches stetig mit gewetzten Messern bereit steht, um sich über alles und jeden im offenen Schlagabtausch in Grund und Boden zu Beschweren.
Wohl eher das Gegenteil ist aber der Fall, denn bevor meine Liebste etwas sagt, muss schon viel, wirklich sehr sehr viel passieren. Ich erinnere mich noch lebhaft an einen Vorfall vor inzwischen doch einigen Jahren. Wir sitzen bei einem angeblichen Edel-Italiener und bestellen Vor- und Hauptspeisen. Der Mann am Nebentisch ordert simple Spaghetti mit Tomatensauce. Was er bekommt sieht eher nach unserem Essen aus. Was ihn jedoch nicht davon abhält, zunächst kulinarisch voll durchzustarten, Zitronen über Calamari auszupressen, bis ihm nach einigen Bissen auffällt, dass das irgendwie keine Spaghetti sind. Kellner kommt, Kellner räumt auf. Wenige Minuten später wird uns die Vorspeise serviert. In Zitrone ertränkte Meeresfrüchte mit ausgepresster Südfrucht.
Ok, ich gebe zu, das ist jetzt schon ziemlich dreist. Doch das bewog meine Frau keineswegs dazu, die Fassung zu verlieren. In höflichen Ton erkundigte sie sich beim Kellner, ob das so korrekt sei, oder hier vielleicht, also eventuell, ein kleiner Irrtum vorlag. Der Mitarbeiter versicherte uns, alles sei ganz normal, das Essen natürlich frisch aus Italien nur für uns eingeflogen und en Minute zubereitet worden. Auch diese Dreistigkeit konterte sie vollkommen gelassen und wies lediglich darauf hin, das ein Teller mit bereits bis zur Unendlichkeit zerquetschten Zitrone wohl eher nicht frisch sei. Lange Rede, kurzer Sinn, wir bekamen alles nochmal neu und als kleine Wiedergutmachung einen Espresso aufs Haus.
Danach passierte lange nichts, was meine Süße zu Beschwerden anregte. Kein Hotelzimmer, kein Essen, kein Verkaufsgespräch. Jahre vergingen, bis sie in einem Restaurant eine Zwiebelsuppe serviert bekam, die man getrost als "Fettsuppe" ohne Geschmack bezeichnen könnte. Doch kein Grund zur Beschwerde. Sie probierte, fand es grauenhaft, stellte die Suppe beiseite und freute sich auf die Hauptspeise. Ich musste sie fast schon zwingen, dies anzusprechen. Der ruhige Ton fand bei der Bedienung sofort Gehör, die selbst bestätigte, dass man uns hier offenbar nicht gerade des Chefkochs Meisterstück serviert hatte. Das Gericht wurde postwendend von der Rechnung gestrichen und alles war in Ordnung.
Doch meistens ist sie eher ein Mensch, der sich nicht oder nur mit leisen Tönen beschwert. Höchstens mal ein Kommentar. Auch wenn sie im Nagelstudio schon vor Ende des Termins absehen kann, dass diese oder jene Ecke eventuell nicht komplett gut geworden ist, sagt sie meist, sie kann es ja zuhause nacharbeiten. Alles kein Problem.
Nun stellt sich die Frage, hat man denn überhaupt eine Beschwerde-Kultur, wenn man sich gar nicht, oder nur selten beschwert? Natürlich hat man die. Es ist vermutlich eine Lebenseinstellung, wie genau man nun hinsehen mag, ob man auf etwas besteht bis die Welt untergeht, oder einfach auch mal die berühmten fünfe gerade sein lässt.
Was das angeht ist meine Frau mein Vorbild. Sie differenziert sehr genau, wann es sich lohnt und wann nicht, überhaupt etwas zu sagen. Wann sollte man hartnäckig sein und wann ist es vollkommen vergebene Liebesmühe. Vor allem aber in welcher Art und Weise man seinen Unmut kommuniziert und ob man sich wirklich über eine negative Reaktion wundern muss, wenn man selbst vorher die schwersten Geschütze aufgefahren hat.
Nun könnte man sage, gut, sie ist in diesen Dingen halt still. Positive Dinge wird sie dann vermutlich ähnlich wortkarg verbreiten. Aber genau hier kommt der Punkt: Loben kann sie gut. Ist sie von etwas angetan, lässt sie es das Gegenüber wissen. Der alte Spruch "Nicht geschimpft ist Lob genug" löst in ihr eher Brechreiz aus. Positive Dinge motivieren eben mehr als Negative...
Ich persönlich würde, wäre ich nicht mit ihr verheiratet, durchaus vermutlich öfter die Beschwerde-Keule auspacken, habe aber gelernt, dass es sich nur selten wirklich lohnt und man lieber mit Freundlichkeit und Respekt durch die Welt läuft.
Krieg gibt es eben nur im Notfall, aber nicht per Ansage. Generell bin ich heute der Meinung, wir sollten uns alle etwas mehr entspannen.
Euer Bob!
P.S. Ja, ich liebe diese Frau ;)
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