
Wie beginnt man eine Geschichte zu erzählen, die voller Tragik steckt, Emotionen, Freud und Leid. Eine Geschichte, die man eigentlich eher in einem Film oder Buch vermuten würde, die aber aus dem echten Leben stammt.
Jahrelang hatte meine Frau nun keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie. Mama, Schwester, Bruder, die ganzen Nichten und Neffen und wer alles dazu gehörte. Und sie war gut damit, hatte sich abgefunden, lebte ihr Leben. So dachte sie jedenfalls. Doch man merkte ihr an, wie sehr diese Menschen fehlten. Sie träumte häufig davon, sprach mit mir darüber.
Ich hatte bereits in meinen vorherigen Beiträgen über die wiedergewonnene Familie geschrieben und darüber, welcher unfassbar traurige Grund der Auslöser dazu war - die schwerwiegende Erkrankung der Mutter. Jeder wusste, was geschehen würde, doch das Unausweichliche kam viel schneller als gedacht. Am 16.02. verstarb, viel zu früh, meine Schwiegermama. So wie sie sich es gewünscht hatte, zuhause, im Kreise der Familie.
Eine neue Zeitrechnung hat begonnen. Es ist die Zeit nach dem Tod der Mutter meiner Frau und dieser Verlust kann im Grunde durch nichts wirklich beschrieben werden. Selbst wenn man wusste, was passieren wird, tröstet das nicht. Erneut eilte meine Liebste nach Deutschland, um die letzte Ehre zu erweisen und zusammen mit ihrer Familie gegenseitig Halt zu geben und zu bekommen in einer Phase, in der es kaum wirklich Trost gibt.
Ich persönlich glaube, es gibt kaum etwas schlimmeres im Leben. Gerade hatten sie sich wiedergefunden, alle Zweifel und alles Negative der Vergangenheit beiseite gestoßen. Es hätte das große Happy End werden können aber das Universum hat es nicht gewollt. Ganz nah und doch für immer unerreichbar. Je öfter ich darüber nachdenke umso drastischer sticht die Tragik dieser Geschichte hervor, umso trauriger und schwerer werden die Gedanken. War nicht mehr Zeit vergönnt? Nur ein klein wenig mehr? Einfach ein winziger Augenblick, den man hätte gemeinsam verbringen und nutzen können?
Die Trauerfeier war wunderschön, der Sarg mit bunten Sprüchen verziert. Der engste Kreis und die wichtigsten Personen hatten sich eingefunden um jemand zu verabschieden, der noch viele Jahre verdient hätte. Es war die Möglichkeit für meine Frau, lebe wohl zu sagen.
Wieder kam der Tag der Abreise für meine Frau, erneut musste sie die zurückgewonnene Familie zurücklassen. Die Menschen, die alle so tapfer waren und sich gegenseitig Mut gaben, auch wenn jeder einzelne innerlich zerrissen ist von Trauer und schweren Gedanken. Es ist jedes Mal eine unfassbar schwere Aufgabe.
Darüber hinaus macht ihr der Gedanke schwer zu schaffen, bei der eigentlichen Beisetzung nicht anwesend sein zu können.
Anstelle nach Hause zu fliegen trafen wir uns in Mexiko. Es war unser Urlaub, seit einem Jahr geplant. Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt. Es sollte die Auszeit in der karibischen Sonne werden, abschalten, die Seele baumeln lassen und an der Bar ein paar Cocktails schlürfen.
Ja, es war schön. Tolle Anlage, tolles Meer, tolle Erlebnisse. Doch keine Poolbar, kein Palmenstrand und kein Schnorchel-Ausflug können darüber hinweg täuschen, was im Herzen und der Seele brennt. Der Verlust des wohl wichtigsten Menschen, den man im Leben haben kann. Daran kann kein Ort und kein Urlaub der Welt etwas ändern. Es gibt viele Phasen der Trauer, umgehen kann man keine davon, egal wie sehr man sich anstrengt.
Geliebte Menschen begleiten uns unser Leben lang, weil wir sie in uns jeden Tag tragen, an sie denken, sie vermissen. Kleine Gegenstände erinnern uns sie, bestimmte Lieder treiben die Tränen in die Augen.
Nun hat uns der Alltag wieder. Für meine Frau eine vollkommen ungewohnte Situation, hat sie doch einen Großteil in diesem Jahr in Deutschland verbracht, war nur wenig in ihrem eigenen Zuhause. Es ist eine Herausforderung, wieder anzufangen, das "Leben weiterzuleben". Keine Sekunde vergeht ohne einen Gedanken an den verlorenen geliebten Menschen, wenn wir darüber reden fließen viele Tränen.
Nach der Rückkehr aus Mexiko war es meiner Liebsten ein Bedürfnis, ihrer Mama einen Ehrenplatz zu geben und so hat sie nun einen kleinen, wunderschönen Schrein. Immer wieder beobachte ich meine Frau, wie sie mit den Worten "Hi Mama" daran vorbei geht. Und ich glaube, sie beobachtet mich ein wenig, damit ich gut auf ihre Tochter aufpasse. Auch ich habe immer wieder diese Momente, in denen mich tiefe Trauer überkommt. Ich hätte so gerne mehr Zeit mit meiner Schwiegermama gehabt, vielleicht hätte sie uns einmal hier besuchen kommen können. Das lässt mein Herz schwer werden.
Normalität wird es so schnell sicher nicht geben und muss es auch nicht. Man muss sich nicht schämen, traurig zu sein. Es gehört dazu und zeigt nur, wie wichtig uns jemand ist oder war. Zuhause in den sicheren vier Wänden ist meine Frau tapfer, doch unter Menschen fühlt sie sich nicht wohl.
Diese Zeilen zu schreiben ist mir schwer gefallen, vielleicht merkt man das beim Lesen. Aber all das ist ein Teil dessen, was Trauer mit uns macht. Der Schmerz wird niemals ganz weg gehen, er wird nur hoffentlich irgendwann leichter werden.
Euer Bob
P.S. Ich liebe meine Frau sehr. Noch mehr freue ich mich auf den Besuch der Familie, die für dieses Jahr fest eingeplant ist.
Liebe Schwiegermama, Farewell, until we meet again.
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